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Deutsches Kartellrecht mit mehr Biss gegenüber Digitalkonzernen?

Autoren: Arssam Rastani LL.M. und Isabell Conrad, Rechtsanwältin, Fachanwältin für IT-Recht

„Kartellrecht mit Klauen und Zähnen“

Die 11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen („GWB“) ist zum 7. November 2023 in Kraft getreten (https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2023/294/VO). Der Ankündigung aus der Bundesregierung inmitten der Energiepreiskrise 2022, ein „Kartellrecht mit Klauen und Zähnen“ zu schaffen, dürfte die Gesetzesänderung, durch welche das BKartA umfangreiche neue Befugnisse erhält, gerecht geworden sein. Die Neuerungen umfassen im Wesentlichen drei Regelungsbereiche

Verfügungen über Anteils- oder Vermögensveräußerungen möglich

Das BKartA kann ggü. Unternehmen mit marktbeherrschender Stellungsowie Unternehmen mit „überragender marktübergreifender Bedeutung als ultima ratio gem. § 32f Abs. 4 S. 1 GWB n.F. Anteils- oder Vermögensveräußerungen verfügen. Somit erhält das BKartA durch § 32f Abs. 3, Abs. 4 GWB n.F. die Befugnis zu strukturellen Abhilfemaßnahme, wenn es eine qualifizierte Störung des Wettbewerbs im Inland feststellt. Als Vorbild der Reform dienten Abhilfemechanismen in Großbritannien und USA.

Beweiserleichterung bei Vorteilsabschöpfung

Bei der Vorteilsabschöpfung erleichtert die gesetzliche Neuerung ganz erheblich die Beweisführung zugunsten des BKartA. Bisher war dieses Instrument aufgrund der Beweisschwierigkeiten in der Praxis kaum relevant. Eingeführt wurden in § 34 Abs. 4 GWB n.F. zwei gesetzliche Vermutungen.

  • Zum einen wird vermutet, dass ein schuldhaft begangener Wettbewerbsverstoß beim Verletzer zu einem erhöhten Gewinn geführt hat.
  • Zum anderen wird vermutet, dass der abzuschöpfende Gewinn mindestens ein Prozent der Umsätze beträgt, die im Inland mit den Produkten oder Dienstleistungen, die mit der Zuwiderhandlung in Zusammenhang stehen, erzielt wurden.

Zwar kann die gesetzliche Vermutung vom Verletzer widerlegt werden. Dies dürfte aber in der Praxis nicht einfach werden. Inhaltlich nicht geändert wurde § 34 Abs. 5 GWB, wonach die Vorteilsabschöpfung nur innerhalb einer Frist von bis zu sieben Jahren seit Beendigung der Zuwiderhandlung und längstens für einen Abschöpfungszeitraum von fünf Jahren angeordnet werden kann.

Untersuchung durch BKartA bei Verstößen gegen Digital Markets Act

Darüber hinaus wurde das deutsche Kartellrecht an den Digital Markets Act der EU („DMA“) angepasst, der seit 1. November 2022 in Kraft ist. Das BKartA wirkt an der Durchsetzung des DMA mit und erhält Untersuchungsbefugnisse gem. § 32g Abs. 1, 2 GWB n.F. bei möglichen Verstößen von Torwächtern gegen Art. 5, 6, 7 DMA. Über die Untersuchung trifft das BKartA eine Berichterstattungspflicht nach § 32g Abs. 3 GWB n.F. Auch die private Durchsetzung des DMA durch Geschädigte wurde geregelt.

Hohe Relevanz für bekannte Digitalkonzerne

Die Relevanz der Neuerungen für bekannte Digitalkonzerne ist groß. Die EU-Kommission hat am 6. September die Digitalunternehmen Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft durch Benennungsbeschluss iSd Art. 3 DMA als Torwächter benannt. Die benannten Unternehmen bieten insgesamt 22 zentrale Plattformdienste an, die ebenfalls als Torwächter benannt wurden (darunter u.A. WhatsApp, Youtube, Google Maps, Facebook, LinkedIn, Chrome, Android, iOS).

Das BKartA hat bereits u.a. bei folgenden Digitalkonzernen eine überragende marktübergreifende Bedeutung gemäß § 19a Abs. 1 GWB festgestellt: Alphabet, Amazon, Apple und Meta. Bei Microsoft läuft aktuell noch das entsprechende Verfahren (Mehr Informationen zu laufenden Verfahren des BKartA gegen Digitalkonzerne (Stand: 10/23).