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EU-KI-Verordnung: Ab wann gilt sie? Übersicht der zeitlichen Anwendbarkeit

In Kraft getreten, aber noch nicht anwendbar

Die KI-Verordnung (KI-VO) der EU ist zwar am 1. August 2024 in Kraft getreten, sie ist jedoch nicht sofort anwendbar. Das bedeutet, dass es Übergangsfristen gibt, in der Unternehmen und Behörden Zeit haben, sich auf die neuen Regelungen der Verordnung vorzubereiten. Es stellt sich die Fragen, ab wann gelten welche Vorgaben? Der Beitrag bietet eine Übersicht der zeitlichen Anwendbarkeit der KI-Verordnung.

Die KI-Verordnung (KI-VO) ist am 1. August 2024 In Kraft getreten, wird aber erst schrittweise anwendbar werden.

Weitere Informationen und häufig gestellte Fragen zur KI-Verordnung finden Sie unserem Beitrag „Die EU-KI-Verordnung (AI-Act): Wichtige Fragen und Antworten„.

Gestaffelte Anwendbarkeit der KI-Verordnung

Der EU-Gesetzgeber hat Übergangsfristen vorgesehen, die den Adressaten mehr Zeit geben sollen, sich auf die neuen Regelungen der KI-Verordnung einzustellen (Art. 113 KI-VO).

Hier ist ein Überblick über die wichtigsten Fristen zur zeitlichen Anwendbarkeit der KI-Verordnung.

Anwendbarkeit der KI-Verordnung ab dem 2. Februar 2025

Gemäß Art. 113 lit. a KI-VO sind die allgemeinen Vorschriften (Art. 1-4) und die Verbote (Art. 5) der KI-VO ab dem 2. Februar 2025 anwendbar. Die KI-VO sieht nur wenige allgemeine Regelungen vor, denn die meisten Regelungen knüpfen an die Risikoklassifizierung an. Zu den allgemeinen Vorschriften gehören:

  • Artikel 1: Der Gegenstand der Verordnung
  • Artikel 2: Der Anwendungsbereich der Verordnung
  • Artikel 3: Die Begriffsbestimmungen/Definitionen
  • Artikel 4: KI-Kompetenz

Die einzige Vorschrift, die mit einer Pflicht für die Adressaten der KI-Verordnung einhergeht, ist die Pflicht zur Schaffung von KI-Kompetenz in der Belegschaft (vgl. Art. 4, Art. 3 Nr. 56 KI-VO). Durch sie soll sichergestellt werden, dass alle Akteure entlang der KI-Wertschöpfungskette und die betroffenen Personen über die notwendigen Kenntnisse verfügen, um informierte Entscheidungen bezüglich KI treffen zu können.

Zur KI-Kompetenz gehört bspw. die Kenntnis des sog. Automation Bias, wonach natürliche Personen dazu neigen, blind dem – scheinbar objektiven – Vorschlag eines KI-Systems zu vertrauen.

Anwendbarkeit der KI-Verordnung ab dem 2. August 2025

Im August 2025 werden vor allem Regelungen zur Überwachung und Durchsetzung der KI-VO, zu GPAI-Modellen und zur Konformitätsbewertung von Hochrisiko-KI-Systemen anwendbar. Gemäß Art. 113 lit. b KI-VO sind folgende Vorgaben ab dem 2. August 2025 anwendbar:

  • Regelungen zu notifizierenden Behörden und notifizierten Stellen (z.B. TÜV/Dekra) für die Feststellung der Konformität von KI-Systemen vor Inverkehrbringen/Inbetriebnahme (Kapitel 3 Abschnitt 4, d.h. Art. 28-39).
  • Regelungen zu GPAI-Modellen (Kapitel 5, Art. 51-55)
  • Regelungen zur Governance, u.a. Einrichtung nationaler Aufsichtsbehörden und des KI-Büros (Kapitel 7, Art. 64-70)
  • Regelungen zu Sanktionen, mit Ausnahme der Sanktionen für Anbieter von GPAI-Modellen (Kapitel 12, Art. 99-101)
  • Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit für Stellen, die zur Umsetzung der KI-Verordnung beteiligt sind, u.a. die Kommission, Marktüberwachungsbehörden und die notifizierten Stellen

Überblick über die ab August 2025 anwendbaren Regelungen.

Anwendbarkeit der KI-Verordnung ab dem 2. August 2026

Die Verordnung wird allgemein anwendbar, d.h. alle Regelungen, für die es gemäß Art. 113 KI-VO keine abweichenden Anwendungsbeginn gibt, werden anwendbar. Dazu gehören:

  • Vorgaben für Hochrisiko-KI-Systeme nach Anhang 3 (z.B. im Bereich Bildung, Beschäftigung oder für die Bereitstellung grundlegender öffentlicher und privater Leistungen)
  • Transparenzpflichten für Anbieter und Betreiber bestimmter KI-Systeme (Kapitel 4/Art. 50),
  • Maßnahmen zur Innovationsförderung, Mitgliedstaaten müssen mind. ein nationales KI-Reallabor bereitstellen (Kapitel 6/Art. 57-63)
  • Bereitstellung der EU-Datenbank für Hochrisiko-KI-Systeme (Kapitel 8/Art. 71)
  • Regeln zur Beobachtung nach dem Inverkehrbringen, Informationsaustausch und Marktüberwachung, u.a. Pflicht zur Meldung schwerwiegender Vorfälle, Durchsetzung der Verordnung durch Marktüberwachungsbehörden (Kapitel 9/Art. 72-94)

Überblick über die ab August 2026 anwendbaren Regelungen.

Anwendbarkeit der KI-Verordnung ab dem 2. August 2027

Gemäß Art. 113 lit. c KI-VO werden ab dem 2. August 2027 auch die Vorschriften der KI-Verordnung auch für produktbezogene Hochrisiko-KI-Systeme anwendbar. Das betrifft Hochrisiko-KI-Systeme, welche als Sicherheitsbauteil von Produkten oder direkt als Produkt aus einer der Produktkategorien aus Anhang 1 Abschnitt A angeboten werden.

Dazu gehören:

  • Maschinen
  • Spielzeug
  • Sportboote und Wassermotorräder
  • Aufzüge und Sicherheitsbauteile für Aufzüge
  • Geräte und Schutzsysteme für explosionsgefährdete Bereiche
  • Funkanlagen
  • Druckgeräte
  • Seilbahnen
  • Persönliche Schutzausrüstungen (PSA)
  • Geräte zur Verbrennung gasförmiger Brennstoffe
  • Medizinprodukte
  • In-vitro-Diagnostika

Anwendbarkeit der KI-Verordnung – Regelungen zum Bestandsschutz

Neben den Fristen zur zeitliche Anwendbarkeit der KI-Verordnung gibt es zudem Bestimmungen zum Bestandsschutz, die u.U. dauerhaft eine Anwendbarkeit der KI-VO ausschließen. Die Regelungen zum Bestandsschutz sollen sicherstellen, dass KI-Systeme oder GPAI-Modelle, die im Vertrauen auf die Rechtslage vor der Anwendbarkeit der entsprechenden Regelungen in der KI-VO entwickelt wurden, nicht oder nicht sofort mit zusätzlichen Pflichten nach der KI-Verordnung belastet werden. Dieser sog. Rückwirkungsschutz ist ein typischer Ansatz in der EU-Produktregulierung.

Für den Bestandsschutz muss das betreffende KI-System oder GPAI-Modell vor einem bestimmten Stichtag in Betrieb oder in Verkehr gebracht werden und genießt dann unterschiedlich langen Bestandsschutz.

Bestandschutz für GPAI-Modelle

Für Anbieter von GPAI-Modellen, die innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten der Verordnung, also bis 1. August 2025, in Verkehr gebracht werden, gilt eine Schonfrist von zwei Jahren für die Erfüllung der regulatorischen Pflichten, d.h. bis zum 2. August 2027 (Art. 111 Abs. 3 KI-VO).

Beispiel: Wenn OpenAI ein großes Sprachmodell bis zum 1. August 2025 in Verkehr bringt, muss es nicht, wie eigentlich in Art. 113  lit. a KI-VO vorgesehen, bereits ab dem 2. August 2025 die Vorgaben der KI-Verordnung erfüllen, sondern hat eine „Schonfrist“ bis zum 2. August 2027.

Bestandschutz für KI-Systeme in bestimmten IT-Großsystemen

Art. 111 Abs. 1 KI-VO gewährt einen Bestandsschutz für KI-Systeme, die vor dem 2. August 2027 in bestimmte Großsysteme integriert werden. Diese Großsysteme werden in Anhang 10 der KI-VO aufgelistet. Solche KI-Systeme müssen bis zum 31. Dezember 2030 mit der KI-Verordnung in Einklang gebracht werden. Da es sich um ausgewählte IT-Großsysteme öffentlicher Stellen handelt, ist die Ausnahme in der Praxis eher selten relevant.

Beispiele sind das Schengener Informationssystem für die Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, Einreise-/Ausreisesysteme oder Visa-Informationssysteme (Anhang 10 Nr. 1, 2 und 4).

Bestandsschutz für Hochrisiko-KI-Systeme

Besonders praxisrelevant ist Art. 111 Abs. 2 KI-VO, der für Hochrisiko-KI-Systeme einen Bestandsschutz auf unbestimmte Zeit vorsieht, wenn sie bis zum 2. August 2026 in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen wurden, es sei es werden später wesentliche Änderungen an der Konzeption vorgenommen.

In der deutschen Version soll dieser Bestandsschutz nur für „Betreiber“ gelten. Die englische Version der KI-Verordnung verwendet hingegen den Begriff „operator“, der dem deutschen Begriff „Akteur“ gem. Art. 3 Nr. 8 KI-VO entspricht. Vieles spricht dafür, dass es sich bei der deutschen Version um einen Redaktionsfehler handelt und die Regelung für alle Adressaten der KI-Verordnung, d.h. auch Anbieter, Hersteller Bevollmächtigte, Einführer oder Händler von Hochrisiko-KI-Systemen gilt.

Alle Hochrisiko-KI-Systeme, die bis 1. August 2026 in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, fallen auf unbestimmte Zeit nicht unter die KI-Verordnung, es sei denn, sie werden wesentlich verändert.

Wann gilt ein KI-System als „wesentlich geändert“?

Laut Art. 3 Nr. 23 KI-VO liegt eine wesentliche Änderung vor, wenn sie nicht in der ursprünglichen Konformitätsbewertung vorgesehen war und die Konformität des Systems mit den Anforderungen an Hochrisiko-KI-Systeme in Art. 9-15 KI-VO beeinträchtigt, oder wenn die Zweckbestimmung des KI-Systems geändert wird.

Trotz dieser Definition wird es in der Praxis oft schwer zu beurteilen sein, wann eine Änderung als „wesentlich“ einzustufen ist. Voraussichtlich werden erst die Leitlinien der Kommission (Art. 96 Abs. 1 lit. c KI-VO) für mehr Klarheit sorgen. Einfache Software-Updates fallen jedoch wohl nicht unter den Begriff „wesentliche Änderung“.

Zeitliche Anwendbarkeit der KI-VO im Lebenszyklus eines KI-Systems

Neben der Frage der erstmaligen Anwendbarkeit der KI-Verordnung, stellt sich die Frage, ab wann im Lebenszyklus eines KI-Systems/GPAI-Modells gilt die KI-Verordnung.

Die KI-Verordnung gilt erst ab Markteinführung oder Inbetriebnahme von KI-Systemen und GPAI-Modellen gilt. Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sind nicht erfasst (Art. 2 Abs. 6 und 8). Das liegt daran, dass die Verordnung einen produktbezogenen Regulierungsansatz verfolgt. Tests unter Realbedingungen, also vor Markteinführung, fallen jedoch bereits unter die Anwendbarkeit der Verordnung (Art. 2 Abs. 8 Satz 3 KI-VO).

Schnell gelesen

Die EU-KI-Verordnung wird schrittweise bis 2027 in Kraft treten. Besonders relevante Fristen sind der 2. Februar 2025 (allgemeine Vorschriften und Verbote), der 2. August 2026 (Hochrisiko-KI-Systeme) und der 2. August 2027 (Vorgaben für Sicherheitsbauteile und GPAI-Modelle). Dank eines Bestandsschutzes bleiben bestimmte Systeme, die vor diesen Stichtagen eingeführt wurden, für bestimmte Fristen oder sogar auf unbestimmte Zeit von der Anwendung der KI-Verordnung ausgenommen.

Weiterführende Links

Umfassender Zeitplan für die Umsetzung der KI-Verordnung von der Inititative „Artificial Intelligence Act“ des Future of Life Institutes: Zeitplan für die Umsetzung.

Autor: Rechtsanwalt Nicolas Kötter

Bei Fragen wenden Sie sich gerne an: nicolas.koetter@csw.legal.

Autor: Nicolas Kötter