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Urheberrechtliche Fragen bei künstlicher Intelligenz – zur Schutzfähigkeit von KI-Erzeugnissen

Autor: Dr. Carsten Siara

Künstliche Intelligenz (KI) stellt bekanntermaßen das Urheberrecht vor neue Herausforderungen. In Bezug auf die Schutzfähigkeit von Erzeugnissen einer autonom handelnden KI (z. B. Texte, Bilder, Bewegtbildsequenzen, Musik) ist die herrschende Meinung bislang skeptisch, und insbesondere ein Schutz durch das Urheberrecht wird bei KI-Produkten allgemein abgelehnt. Trotzdem lohnt es sich, die Lage in Bezug auf die einzelnen Schutzrechte des Urheberrechtsgesetzes im Detail zu betrachten.

KI-Erzeugnisse haben keine Werkqualität

Mittlerweile kann es als allgemeine Meinung angesehen werden, dass die von einer KI (wie etwa einem künstlichen neuronalen Netz) eigenständig geschaffenen Erzeugnisse keinen Schutz als urheberrechtliches Werk gemäß § 2 Abs. 2 UrhG genießen. Der Grund hierfür ist, dass ein urheberrechtliches Werk im deutschen Urheberrecht als Ausfluss der Persönlichkeit des Urhebers angesehen wird und damit eine persönliche geistige Schöpfung voraussetzt (Loewenheim in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2019, UrhG § 2 Rn. 41; EuGH GRUR 2012, 386). Eine solche persönliche geistige Schöpfung erfordert allerdings ein menschliches geistiges Schaffen. Somit scheidet ein Ergebnis, das vollständig auf dem autonomen Schaffen einer KI beruht für den Urheberrechtsschutz aus. Von einer KI generierte Werke wie Bilder, Musik oder Texte können daher noch so fantasievoll und anspruchsvoll sein, sie werden nicht nach § 2 Abs.1 UrhG geschützt. Auch in der herkömmlichen Rechtsprechung wurde maschinellen oder tierischen Erzeugnissen ein Schutz durch das Urheberrecht stets versagt.

Werkqualität bei werkzeugmäßigem Einsatz der KI?

Dies mag anders sein, soweit sich ein Mensch der KI als Werkzeug für seine schöpferische Tätigkeit bedient. Allerdings sind hier – auch angesichts fehlender Rechtsprechung – erhebliche Abgrenzungsprobleme vorprogrammiert. Zum einen ist der Anteil des menschlichen Schaffens am Produkt zu bestimmen und zum anderen ist im zweiten Schritt zu bestimmen, ob es sich bei der „menschlichen Zutat“ noch um einen ausreichenden schöpferischen Beitrag im Sinne des Urheberrechts handelt. Im Ergebnis ist dies wohl sehr schwer festzustellen. Als Beispiel für einen werkzeugmäßigen Einsatz wird oft das sogenannten „prompten“ der KI angeführt, also deren Steuerung durch den Einsatz mehr oder weniger konkrete Anweisungen. Ob dies wirklich für einen eigenschöpferischen Beitrag des Menschen ausreicht, dürfte in vielen Fällen fraglich sein. Oder anders ausgedrückt: Es ist etwas anderes, ob man ein Musikstück selbst komponiert oder ob man einer KI sagt, wie sie ein Musikstück komponieren soll.

Kein Schutz als Lichtbilder

Das Fehlen eines Schutzes von autonomen KI-Erzeugnissen als urheberrechtliches Werk nach § 2 UrhG bedeutet aber nicht, dass KI-Erzeugnisse nicht in bestimmten Fällen durch andere Schutzrechte erfasst sein können. In diesem Zusammenhang ist auf einen bemerkenswerten Wertungswiderspruch bei den im Urheberrechtsgesetz geregelten Leistungsschutzrechten hinzuweisen.

Nach bisheriger vorherrschender Ansicht wird bei von einer KI selbsttätig geschaffenen Bildern ein Schutz derselben gemäß § 72 UrhG (Lichtbilder oder Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden) abgelehnt. Zum einen wird bereits vereinzelt in Frage gestellt, ob die von einer KI geschaffenen, meist computergenerierten, virtuellen Bilder überhaupt Lichtbilder oder ähnliche Erzeugnisse sein können, da § 72 UrhG ursprünglich nur als Schutzrecht für klassische Fotografen konzipiert sei, also insbesondere die Wiedergabe eines vorhandenen Bildgegenstands voraussetze. Da aber die von einer KI geschaffene Bilder in der Regel virtuelle Computeranimationen seien, scheide ein Schutz nach § 72 schon aus diesem Grund aus (Loewenheim/Leistner in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2019, UrhG § 2 Rn. 208 für Lichtbildwerke). Daneben wird der Lichtbildschutz für computeranimierte Bilder auch deswegen abgelehnt, weil bei computeranimierten Bildern – anders als bei der Fotografie – keine Verarbeitung von Lichtreizen, sondern lediglich von elektronischen Befehlen vorliege (s. etwa LG Berlin ZUM 2017, 955, 957 f.; KG GRUR 2020, 280 Rn. 9 – Produktbilder).

Letztlich können diese Erwägung jedoch dahingestellt bleiben, da der Lichtbilderschutz für KI-generierte Bilder aus einem anderen Grund scheitert. Nach bisheriger Rechtsprechung setzt nämlich § 72 UrhG ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung voraus (vgl. Vogel in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2019, UrhG § 72 Rn. 34; BGH GRUR 2019, 284 Rn. 23, 26 – Museumsfotos; BGH ZUM 2019, 335). Diese geistige Leistung muss keine schöpferische Tätigkeit sein wie bei einem Werk nach § 2 UrhG, sie wird aber regelmäßig in der Fertigkeit beim Bedienen technisch oft komplizierter Apparate, der Wahl der Entfernung und des Blickwinkels oder der Ausleuchtung des Motivs gesehen. Damit erfordert auch der Schutz nach § 72 UrhG ein menschliches geistiges Schaffen. Wenn die KI animierte Bilder oder auch reale Fotografien autonom erstellt, liegt ein solches menschliches Schaffen gerade nicht vor.

Über die Zeitgemäßheit all dieser Argumente, die noch aus der Frühzeit der mechanischen Fotografie zu stammen scheinen, lässt sich trefflich streiten. Allerdings zeichnet sich im Bereich Lichtbildschutzes ein Umdenken noch nicht ab.

Schutz als Laufbilder

Anders verhält es sich hingegen, wenn es um den Schutz bewegter Bildsequenzen geht, die von einer KI selbständig erzeugt werden. Bei diesen kommt nämlich ein Laufbilderschutz im Sinne von § 95 UrhG in Betracht. Laufbilder sind Bildfolgen bzw. Bild- und Tonfolgen, die bei der Vorführung, der Sendung oder dem Ablauf den Eindruck des bewegten Bildes entstehen lassen, dabei allerdings keinen Werkqualität im Sinne des § 2 UrhG erreichen (Schulze in: Dreier/Schulze, 7. Aufl. 2022, UrhG § 95 Rn. 6). Anders jedoch als bei § 72 UrhG erfordert das Leistungsschutzrecht des § 95 UrhG keine persönliche geistige Leistung. Vielmehr kann jede bewegte Bildfolge als Laufbild geschützt sein, selbst wenn sie überhaupt keine geistige oder schöpferische Leistung aufweist (Conraths, MMR 2021, 457, 460). Geschützt sein können somit z. B. bloße Naturaufnahmen (BGHZ 9, 262, 268 – Lied der Wildbahn), Aufnahmen von Sportveranstaltungen (OLG München ZUM-RD 1997, 290, 293 – Boxkampfaufzeichnung) oder Amateurfilme von Urlaubsreisen (Katzenberger/N. Reber in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Aufl. 2019, § 95 Rn. 12). Folglich ist die geistige Leistung eines Menschen keine Voraussetzung für den Laufbilderschutz, der damit auch für den Schutz von durch eine KI generierte Bewegtbilder in Frage kommt. Da zudem – wie oben aufgezeigt – ein durch eine KI eigenständig generiertes Erzeugnis wegen des Fehlens einer menschlichen geistigen Leistung nie ein urheberrechtliches Werk sein kann, muss die Abgrenzung zwischen Laufbild und Filmwerk anhand der Schöpfungshöhe hier nie vorgenommen werden. Bei KI-generierten Bildfolgen ist der Laufbilderschutz daher immer einschlägig. Zudem wird im Rahmen von § 95 UrhG auch kein Unterschied gemacht, ob das Erzeugnis einen realen Gegenstand abbildet oder eine reine Computeranimation ist. Auch rein virtuelle Bewegtbildsequenzen einer KI unterfallen damit dem Laufbilderschutz (z. B. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG . Aufl. 2022, UrhG § 95 Rn. 9). Inhaber dieses Leistungsschutzrechts ist – wendet man die allgemeinen Grundsätze an – die natürliche oder juristische Person, die für den Einsatz der KI verantwortlich ist (Conraths, MMR 2021, 457, 460).

Somit ergibt sich für den Bereich der KI ein Wertungswiderspruch zwischen § 72 UrhG (Lichtbildschutz) und § 95 UrhG (Laufbilderschutz). Warum das eine Schutzrecht eingreift, das andere hingegen nicht, lässt sich nur historisch erklären.

Kein Schutz als Datenbank

Weiterhin scheidet ein Schutz der von einer KI erzeugten Texte, Softwareprodukte, Bilder usw. durch das Datenbankrecht nach § 87a UrhG aus. Bei all diesen Erzeugnissen fehlt es nämlich an der Unabhängigkeit der Einzelelemente. Selbst wenn man die in den KI-Erzeugnissen enthaltenen Einzeldateien selbständig ansteuern und extrahieren könnte, sind sie doch inhaltlich so aufeinander bezogen, dass eine Selbständigkeit nicht vorliegt (Hermes in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 6. Aufl. 2022, § 87a Rn. 98). Zudem wird auch das Merkmal der systematischen und methodischen Anordnung der Einzelelemente im Sinne von § 87a Abs. 1 S. 1 UrhG nicht gegeben sein, da sich bei den Einzelelementen die Anordnung in der Einfügung in ein Gesamtwerk erschöpft, nicht aber der Lokalisierung der unabhängigen Einzelelemente dient (Wendorf in: Ebers/Heinze/Krügel/Steinrötter/Heinze, Künstliche Intelligenz und Robotik, 1. Aufl. 2020 § 9 Rn. 74).

Fazit

KI-generierten Erzeugnissen fehlt nach allgemeiner Ansicht die Werkqualität gemäß § 2 UrhG. Auch ein werkzeugmäßiger Einsatz einer KI durch einen Menschen garantiert nicht zwangsläufig urheberrechtlichen Schutz der Erzeugnisse. Etwas widersprüchlich erscheint, dass den von einer KI geschaffenen nicht bewegten Bildern ein Schutz als Lichtbilder oder ähnliche Erzeugnisse nach § 72 UrhG verwehrt wird, die von einer KI erzeugten bewegten Bildsequenzen als Laufbilder nach § 95 UrhG Leistungsschutz genießen können. Diese unterschiedlichen Wertungen sind historisch aus dem jeweiligen Leistungsschutzrecht heraus erklärbar. Allerdings stellt sich insgesamt die Frage, ob das bestehende Urheberrecht den neuen Formen der Kreativität möglicherweise nicht gerecht wird.